Inhalte des Artikels:
- Grundsätzliches: Wortherkunft und Sinn
- Wie wird der Spine gemessen?
- Statischer Spinewert vs. Dynamisches Pfeilverhalten
- Spinewert-Tabelle
Grundsätzliches: Wortherkunft und Sinn
Spinewert… wer sich Pfeile kaufen möchte, findet dieses Wort praktisch überall! Doch nicht jeder weiß gleich damit etwas anzufangen. Aus Zuggewicht und Auszugslänge ergibt sich der Spine und daraus der für mich passende Pfeil? Aber wie genau? Genau das wollen wir heute mal näher beleuchten und tauchen ein, in die Welt ‚des Spines‘.
Der Begriff ‚Spine‘ (ausgesprochen: ˈspaɪn) kommt aus dem Englischen. ‚Spine‘ bedeutet soviel wie ‚Rückgrat‘. Das kann man sich auch ganz gut vorstellen: Etwas mit starkem Rückgrat lässt sich nicht so leicht verbiegen. Und andersherum: Etwas mit wenig Rückgrat ist schnell verbogen. Der Spinewert bei Pfeilen bezeichnet vereinfacht genau das: Die Steifigkeit, bzw. wie einfach sich der Pfeil durchbiegen lässt.
Wenn man denn Schuss löst, wird Kraft auf den Pfeil ausgeübt. Die Kraft verursacht, dass sich der Pfeil beim Flug verbiegt. Ziel bei der Spinewertwahl ist es, dass diese Durchbiegung zum Bogen und zum/zur Schütz*in passt. Eine gute Abstimmung sorgt für einen idealen Flug und perfekte Trefferbilder.
Diese Durchbiegung des Pfeiles kann man nicht mit bloßem Auge beobachten. Aber mit einer Slow-Motion-Kamera z.B. sieht man wohl am besten, dass der Pfeil mitnichten „pfeilgerade“ fliegt, sondern sich geradezu ins Ziel „schlängelt“. Im Disneyfilm Merida beispielsweise ist dieses Phänomen hervorragend beobachtet und künstlerisch umgesetzt worden.
Bei „Center-Shot“-Bögen z.B., also Bögen mit sog. Bogenfenster, ist der Spinewert insbesondere bei größeren Distanzen wichtig. Bei einem Recurve-Bogen biegt sich der Pfeil nach dem Lösen zunächst sehr stark durch, berührt dann den Button ein einziges Mal, welcher mit Kraft gegen den Pfeil drückt. Danach ist der Pfeil in seiner Schusslinie.
Etwas anders sieht es da beim Compoundbogen aus. Der Pfeil liegt exakt mittig im Bogen und erfährt beim Lösen mit dem Release keine seitliche Kraft. Die Durchbiegung ist daher vertikal. Es gibt beim Compound aus diesem Grund auch keinen Button und man tendiert oft zu etwas härteren Pfeilen, da der Spine eine im Vergleich zum Recurve weniger entscheidende Rolle spielt. Nur zu weich sollte der Pfeil beim Compoundbogen nie sein. Wegen der Kraft die ein Compound besitzt können Pfeile beim Abschuss brechen und ernsthafte Verletzungen verursachen!
Bei primitiven Bögen ohne Bogenfenster muss sich der Pfeil paradoxer Weise (siehe auch Archer‘s Paradox) zunächst um den Griff herumschlängeln (die Ausgangsposition des Pfeils ist dabei seitlich zum Ziel); hier ist ein exakter Spinewert für weitestgehend konstante Ergebnisse sehr ausschlaggebend, denn der Pfeil muss so korrekt wie möglich ‚einen Bogen‘ um den Bogen machen.
Wir halten fest: Die Kraft des Bogens verursacht, dass sich der Pfeil verbiegt. Der Spinewert des Pfeils gibt den Grad der Verbiegung an. Der Pfeil darf abhängig von der Auszugslänge und Zugkraft weder zu weich noch zu hart sein. Wenn der Spine weitestgehend passt, wird er sich nach der Biegung in seiner Schusslinie befinden.
Wie wird der Spine gemessen?
Das Messverfahren des Spinewerts ist heute standardisiert. Die AMO (Abk. für Archery Manufacturers Organization), eine US-amerikanische Hersteller- und Händlerorganisation und direkte Vorgängerorganisation der ATA (Abk. für Archery Trade Association), veröffentlichte hierzu bereits im Februar 1968 ein Heft (AMO Standards) auf die nicht nur die Messung des Spinewerts, sondern auch sämtliche andere im Bogensport, bzw. -bau geltende Normen, die zum Teil bis heute noch Kanon sind, vorgestellt werden.
Für die Messung des Spinewerts gibt es sog. Spine-Tester (in unserem Beispiel ein Model von ACE), wo man einen Rohschaft auf zwei Auflagepunkte legt, die zueinander einen 28“ Abstand haben (den AMO Standards zufolge beträgt dieser Abstand bei Holzpfeilen nur 26“). Ein Gewicht von 880 g wird in die Mitte des Pfeiles gehängt. Je nach dem wie viel sich der Pfeil nun durchbiegt offenbart nun wie weich, bzw. hart der Pfeil ist. Diese Durchbiegung wird wird in 1/1000 Zoll angegeben. Ein Spine von 500 bedeutet also, dass der Pfeil um 0,500 inch durchgebogen wird. 1200 würde entsprechend eine Durchbiegung von 1,200 inch bedeuten.
Intuitiv sollte sein, dass Bögen mit höherem Zuggewicht steifere Pfeile benötigen. Weniger intuitiv ist wohl, dass diese nun eine kleinere Zahl aufgedruckt haben. Andersherum brauchen schwächere Bögen einen weicheren Pfeil, der dann mit einer höherer Zahl gekennzeichnet ist. Verwirrend!
Ich kann die Frage schon erahnen: „Ich brauche aber 25 Zoll lange Pfeile, was nützt mir diese Messung bei 28 Zoll?“
Das ist jetzt wichtig! Aufpassen:
Die Länge hat natürlich einen entscheidenen Einfluss auf die Steifigkeit des ganzen Bauteils. In unserem Fall: den fertigen Pfeil. Je länger der Pfeil wird, desto mehr biegt er sich bei der gleichen Krafteinwirkung durch. So gesehen ist das eigentlich auch ohne große Technik und Mathematik begreifbar. Jeder der mal ein Metallmaßband nur ein paar Zentimeter ausgezogen hat wird festgestellt haben, wie steif und stabil das Material ist. Zieht man es aber 3 m aus wird es zur „weichen Nudel“. Oder bei Haaren. Hat ein langer Bart also andere Eigenschaften oder ist er aus einem anderen Material als etwa die kurzen Stoppeln eines 3-Tage-Barts? Nein – die Länge ist nur anders aber das Haar ist immer dasselbe!
Dasselbe gilt in diesem Sinn auch für Pfeile. Die aufgedruckten Spinewerte beziehen sich also bei allen Herstellern immer standardmäßig auf diese 28″. Das ist der einzige bei Pfeilen durch die obig beschriebene Technik gemessen und ermittelte Wert, der eine fixe Eigenschaft des Rohmaterials, also gewissermaßen des „Rohres“ aus dem der Pfeil besteht, numerisch beschreibt. Dieses hat durch den Durchmesser und die Wandstärke eine gewisse Festigkeit, die sich erhöhen lässt, indem man zum Beispiel Carbon statt Aluminium verwendet, die Wandstärke oder den Durchmesser erhöht. Ausgehend von diesem Wert kann man für alle anderen Längen entsprechend ableiten.
Statischer Spinewert vs. Dynamisches Pfeilverhalten
Entscheidend ist, dass es natürlich einen Unterschied macht, ob man mittig ein Gewicht an den Pfeil hängt oder von hinten die Kraft des Bogens auf den Pfeil drückt. Der statische Spine ist nur ein Hilfsmittel, um die richtigen Pfeilschäfte zu finden. Diese müssen aber beim Schuss bestmöglich funktionieren. Und dieses „Verhalten“, hängt nicht nur von der Steifigkeit des Rohres ab, sondern von der tatsächlichen Länge des Pfeiles, wie auch vom Gewicht der Spitze oder der Abschussgeschwindigkeit des Bogens. Ein Pfeil mit einer 120-gr-Spitze ist weicher, als eine Spitze mit 100 gr. Ein 60 lbs Compoundbogen schießt z.B. auch schneller als ein 60 lbs Recurvebogen. Der Grund warum das relevant ist: Trägkeit.
Der gleiche Grund, warum wir Gewichte an Stabilisatoren schrauben: Gegenstände mit größerer Masse sind träge und lassen sich nicht so schnell in Bewegung versetzen. Gehen wir einen Schritt zurück und denken an einen PKW, in dem neben dem Fahrer noch ein Erwachsener und ein Kind drin sitzen. Wenn dieses Auto beispielsweise nachdem Grünwerden der Ampel ruckartig beschleunigt, würde der erwachsener Mitfahrer zwar in seinen Sitz gedrückt werden, aber im Vergleich weniger als das Kind und das liegt am Gewicht.
Eine solche Krafteinwirkung hat man im Prinzip auch beim Bogenschießen. Wenn die Sehne von hinten gegen den Pfeil drückt, den Pfeil somit vorwärts befördert, wird die Pfeilspitze ebenfalls beeinflusst, bzw. genauer noch, wie auch die Mitfahrer im Auto gegen ihren Sitz, drückt sich die Pfeilspitze gegen den Schaft. Wenn sich nun vorne z.B. eine schwere Spitze befindet, die sich nur ungern in Richtung Ziel bewegen lassen möchte, würde sich ein Pfeil ebenfalls mehr durchbiegen, als wenn die Spitze leicht wäre. Je schwerer die Spitze oder je schneller die Sehne, desto mehr wird sich der Pfeil durchbiegen, bis er es schafft, die Spitze auf die gleiche Geschwindigkeit zu beschleunigen. Wir betrachten also nicht mehr nur einen Pfeil, der statisch auf einer Apparatur liegt, sondern wir betrachten ein System in Bewegung.
Häufig wird deshalb vom Begriff „dynamischer Spine“ Gebrauch gemacht. Da ist Verwirrung aber fast schon vorprogrammiert, weil er suggeriert ein anderer, gemessener Wert zu sein, weshalb wir in diesem Beitrag vom „dynamsichen Pfeilverhalten“ sprechen wollen. Das Wort „Spine“ möchten wir allein für den statisch, auf der Apparatur ermittelten Wert verwenden.
Dieses dynamische Pfeilverhalten ist es nun, das zum Bogen, zum Zuggewicht, zum/zur Schütz*in passen muss. Und das dynamische Pfeilverhalten ist das eigentliche Ziel von Spine-Tabellen wie der folgenden. Faktisch bekommt man zwar nur den statischen Spine, dieser ist aber auch lediglich als Mittel zum Zweck zu sehen, auf dem Weg zum idealen, dynamischen Pfeilverhalten:
Spinewert-Tabelle
Zuggewicht | 21″ | 22″ | 23″ | 24″ | 25″ | 26″ | 27″ | 28″ | 29″ | 30″ | 31″ | 32″ | 33″ |
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10-16 | 2000 | 2000 | 1900 | 1600 | 1400 | 1200 | 1100 | ||||||
17-23 | 2000 | 1900 | 1800 | 1500 | 1300 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 |
24-29 | 2000 | 1800 | 1500 | 1300 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 |
30-35 | 1800 | 1500 | 1300 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 |
36-40 | 1500 | 1300 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 |
41-45 | 1300 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 |
46-50 | 1100 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 |
51-55 | 1000 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 | 300 |
56-60 | 900 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 | 300 | 300 |
61-65 | 800 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 | 300 | 300 | |
66-70 | 700 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 | 300 | 300 | ||
71-76 | 600 | 600 | 500 | 500 | 400 | 400 | 350 | 350 | 300 | 300 |
Wenn wir unser Zuggewicht, die Auszugslänge, evtl. sogar das Spitzengewicht angeben, um in so einer Tabelle zu suchen, dann sind das alles Parameter, die das dynamische Pfeilverhalten beeinflussen. Das Ergebnis ist ein statischer Spinewert, der uns hilft im Regal ins richtige Fach zu greifen. Der statische Spinewert als numerische Zahl also ist an sich nicht das Ausschlaggebende und für nichts weiter gut als eine fixe Maßeinheit zur Orientierung. Schneidet man die Schäfte auf die gewünschte Länge und klebt die Spitze ein, sollte sich der Pfeil so verhalten, wie man es sich wünscht.
Ob der Pfeil dann auch wirklich optimal passt, kann man dann mit diversen Schießtests (z.B. Papiertest, Rohschafttest etc.) herausfinden. Wenn man nach diesen Tests sieht, dass doch noch etwas Optimierungsbedarf besteht, kann der gekaufte Pfeil mit entsprechendem Spinewert natürlich nicht mehr geändert werden. Aber es gibt trotzdem noch kleine Nachbesserungsmöglichkeiten. Für einen sauberen Pfeilflug lässt sich immer noch am Zuggewicht und Spitzengewicht drehen, auch die Pfeillänge könnte evtl. minimal angepasst werden. Solche Optimierungen gehören aber auf jeden Fall in den Bereich des Feintunings und wird i.d.R. von gut bis sehr gut routinierten (Leistungs-)Schützen mit eingestimmten Bogensetup unternommen.
Hat dieses dynamische Pfeilverhalten nun einen numerischen Wert? Kann man das überhaupt in exakten Zahlen angeben? Nein, kann man nicht. Auch aus diesem Grund möchten wir nicht vom „dynamischen Spine“ und schon gar nicht vom „dynamischen Spinewert“ sprechen. Es gibt nur einen Spinewert, und der steht auf dem Schaft.