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Inhalte dieses Artikels:


HINWEIS: Ab sofort steht für euch der wohl derzeit umfangreichste BSS-Glossar zur Verfügung! Wir haben alle möglichen Fachtermini des Bogensports für euch so funktionell wie möglich zusammengestellt. Sollte doch noch etwas fehlen? Dann schreibt uns gerne an! Wir ergänzen das liebend gern.


Ohne Frage. Jeder Bogen funktioniert nur mit einer Sehne. Sie spannt den Bogen und schießt den Pfeil davon. Aber worauf kommt es an, wenn man sich nun eine Sehne beschaffen will, was muss man beachten? Prinzipiell heißt es, die Sehne muss stark und reißfest sein. Wenn wir aber auch wollen, dass sie den Pfeil so weit wie möglich befördern soll, dann sollte sie auch leicht sein. Denn leicht bedeutet, weniger Widerstand, ergo sie ist schneller. Wenn die Sehne schneller ist, so ist auch der Pfeil. Soweit so gut.
Wirft man einen Blick in die Sehnenabteilung (Recurve, Compound, Traditionell) wird man schnell fündig. Es gibt nicht unzählige Sehnen(garn)hersteller, aber doch genug, um insbesondere als Anfänger ratlos zu sein. Denn zum einen gibt es Markennamen, zum anderen aber auch Materialbezeichnungen, welche für etwaige Verwirrung sorgen könnten. Aber seid unbesorgt, das ist alles kein Hokus-Pokus. Und wenn man sich etwas reingelesen hat, sogar ganz logisch. Daher hier erst einmal unser Überblick.

Bestandteile einer Sehne

Sehnengarn: Hauptbestandteil bei der Herstellung einer Sehne
Wickelgarn: Garn zum Umwickeln des Sehnengarns. Für Mittel- und Endwicklungen
Beispiel: Fertige Sehne mit Mittel- und Endwicklungen

Der Aufbau einer Sehne ist eigentlich ziemlich einfach. Prinzipiell ist beim Einkaufen zwischen dem Garn und einer fertigen Sehne zu unterscheiden. Eine fertige Sehne besteht aus Sehnengarn und Wickelgarn. Im Shop findet ihr grundsätzlich alles: also fertige Sehnen, wie auch alle Bestandteile, aus der eine Sehne gemacht wird. Wolltet ihr also eine Sehne selbst anfertigen, braucht ihr nur den gewünschten Sehnen- und Wickelgarn beschaffen. An einem sog. Sehnengalgen (und einem Wickelgerät als Hilfe für eine gleichmäßig straffe Wicklung) könnt ihr den Garn zu einer funktionstüchtigen Sehne zusammenbauen.

Produktbeispiel: Wickelgerät von Avalon
Produktbeispiel: Sehnengalgen von A&F

Während der Sehnengarn die hauptsächliche Sehne in ihrer Länge und Durchmesser definiert, dient der Wickelgarn zur Stabilisierung und Abschluss entsprechender Stellen. Diese wären zum einen die Mittelwicklung – die Stelle, an der die Pfeile angenockt werden – zum anderen die Endwicklungen, die den Sehnengarn Abschließen und ggf. die Endschlaufen

Sehnenmodelle sortiert nach Material:

Polyester

B50 / B55 / Dacron: Wer sich ein paar Minuten im gesamten Sehnensortiment durchstöbert, wird schnell auf die Bezeichnungen B50, B55 oder Dacron stoßen. Diese Produktbezeichnungen stehen für Sehnengarne aus Polyester. Während B50 ein Produkt der Firma Brownell & Co. ist, steht B55 wiederum für jenes der Firma von BCY. Beide beziehen sich aber auf dieselbe Sehnenmaterialzusammensetzung. (Ja, auch wir denken: die Namensgebung ist in beiden Fällen sehr kreativ ausgefallen!). Dacron ist ein weiterer Markenname aus diesem Bereich, der ebenfalls für Sehnengarn aus Polyester der Firma Dupont steht.

Beispiel: Der Sehnenhersteller SHOCQ bietet eine Recurve-Sehne mit dem Material B50 an

B50 / B55 / Dacron-Sehnen sind bekannt für ihre Leichtigkeit und sehr hohe Beständigkeit, sind aber i.d.R. langsamer als Fast-Flight-Sehnen.

HPPE (High-Performance-Polythylen)

Fast-Flight (FF): Wortwörtlich heißt dieser Markenname: „Schneller-Flug“. Mit „Fast Flight“ / abk. „FF“ benannte die Firma Brownell seinen Sehnentyp aus HPPE (High-Performance-Polyethylen), was die Sehne sehr viel leichter und die Fasern reißfester macht, als z.B. Dacron. Es gab eine Zeit bei dem der Sehnenhersteller FLEX die Bezeichnung „Fast Flight Plus“ / „FF+“ benutzte. Uns ist bis heute nicht möglich gewesen herauszufinden, was das plus / + in deren FF eigentlich bedeuten soll, zumal die Begriffe FF und FF+ in der Bogensportszene (in der wir uns zumindest befinden) immer beliebig austauschbar benutzt werden. Daher gehen wir davon aus, dass FF+ auch exakt das Gleiche ist wie FF und das „plus“ einfach aus irgendeinem Marketing-Grund eingeführt worden ist. Aber solltet ihr da doch anderweitig sinnvolle Informationen haben, dürft ihr uns hierzu gerne in den Kommentaren erleuchten!

UHMWPE (Ultra-High-Molecular-Weight-Polythylen)

8125: Mit dieser Nummernfolge bezeichnen Sehnenhersteller prinzipiell ein modernes Sehnengarn aus SK75 Dyneema. Dyneema ist der Markenname der Firma DSM für seine UHMWPE-Faser (Ultra High Molecular Weight Polyethylen). SK75 wiederum beschreibt eine Qualitätsstufe von Dyneema.

Kurzzeitig vermarktete die Firma BCY ein Sehnengarn mit dem leicht abgewandelten Namen: 8125G. Dieses enthielt einen sehr geringen Anteil an Gore-Fasern, die die Abriebfestigkeit verbessern und das Schussgeräusch etwas reduzieren sollten. Scheinbar war der Hersteller nicht ganz davon überzeugt und stellte die Produktion nach einer kurzen Zeit wieder ein. BCY selbst erklärte, dass sie den Sehnengarn mit Gore-Anteil abstellten, „weil die Gore-Faser nicht zur Leistung des 8125 beitrug oder diese verbesserte.“

8190: Eine ähnliche Geschichte wie bei 8125G erfuhr auch das Modell 8190 von BCY. Diese Nummernfolge bezeichnet ein weiteres, modernes Sehnengarn aus SK90 Dyneema und GORE-Fasern. Wie schon bei der Zusammensetzung mit 8125 erwähnt, soll der Gore-Anteil für eine Optimierung der Sehnenattribute sorgen, jedoch blieb ein faktischer Mehrwert von Gore-Faser-Anteilen in einer Sehne aus, weshalb auch die 8190 nicht mehr erhältlich ist.

452X: Während sich Gore für BCY wohl nicht bewährt hat, ist ein Anteil von Vectran hingegen sehr viel erfolgreicher ausgefallen. Der Sehnengarn 452X besteht zu 67% aus SK75 Dyneema und zu 33% aus Vectran und hat den Effekt, dass die Sehne komplett Creep-frei bleibt. Das ist insbesondere bei Compoundbögen von großer Bedeutung.

X99: Auch das Modell X99 von BCY bezeichnet Sehnengarn aus 80% SK75 Dyneema und 20% Vectran-Anteil. Hier ist davon auszugehen, dass durch die Ratio-Verschiebung auch mit der „no-Creep“-Eigenschaft gespielt wird.

Häufig vorkommende Fachwörter kurz erklärt

Flämisch Spleiß: Beschreibt eine Art das Ende einer Sehne knotenlos zu einer Schlaufe durch eine Flechtmethode zu bilden. Diese Art der Sehnenwicklung bei Sehnen wird insbesondere beim traditionellen Bogenschießen, bzw. bei traditionellen Bögen hergenommen.

Den flämischen Spleiss erkennt man eigentlich gut an der „Flechtstruktur“ der Endschlaufen, bzw. der kompletten Sehne.

Diese Art Sehnen herzustellen müsste man im Gegensatz zu der Endloswicklung sehen. In diesem Verfahren wird der Sehnengarn in der gewünschten Länge mehrmals aufgewickelt und anschließend durch einen weiteren Wickelgarn „verschlossen“.

Auch wenn die Sehnenfarbe hier polychrom sein kann, ist sie in diesem Sinne nicht „geflochten“, sondern öfters gedreht und an den Enden gewickelt. Es gibt auch Sehnen, bei denen die Schlaufen nicht komplett gewickelt sind.

Dehnung:

Dieses Wort in Bezug zur Sehne beschreibt einen gewissen Grad an Dehnung einer Sehne, bzw. eines Sehnengarns während der Belastung. Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass diese Dehnung im Ruhezustand reversibel ist.

Längung:

Dieses Wort (auch Creep genannt) ist als Gegensatz zu „Dehnung“ zu sehen. Sie beschreibt ein eher unerwünschtes Verhalten einer Sehne, bzw. eines Sehnengarns. Die Sehne dehnt sich bei Kraftausübung in einer irreversibelen Weise.

Gore: Ist den meisten wohl insbesondere bei Funktionskleidung und -schuhen bekannt. Gore ist der Handelsname der W. L. Gore & Associates für eine mikroporöse Membran (Nässesperrmembran) aus Polytetrafluorethylen (ePTFE), die winddicht, wasserdicht, aber wasserdampfdurchlässig und damit atmungsaktiv ist. Gore, in Sehnen eingearbeitet, hat so gut wie keine Auswirkungen auf Dehnung und Creep, es wurde eine Zeit lang in der Sehnenproduktion benutzt, um extrem dünnes Sehnenmaterial auf eine ähnliche Stärke zu bringen wie Fast Flight. Doch scheint sich diese Zusammensetzung nicht bewährt zu haben, zumal es Gore-anteilige Sehnen nicht mehr auf dem Markt gibt

Vectran: Vectran ist ein LPC-Aramid (hochfeste Synthesefasern mit erhöhter Temperaturbeständigkeit (PPTA) und schmelzspinnbare Polyaromatfasern (LPC)) und besitzt keine Dehnung und keine Längung beim Ausziehen der Sehne. Allerdings wird Vectran nur in Kombination mit anderen Materialien verwendet, da die Sehne sonst zu hart und somit brechen könnte. Ein Anteil von Vectran wird in die modernsten Fast Flight und Dyneema-Sehnen verbaut, um sie dadurch dünner und leistungsfähiger ausfallenzulassen. BCYs Sehnenmodell 452X z.B. veranschaulicht diese Synthese von Kunststoffen: Sie besteht zu 2/3 aus 8125 (Dyneema SK75) und zu 1/3 aus Vectran.

Welche Sehne ist für welchen Bogen geeignet?

Jetzt die Frage: „Welche Sehne ist denn nun für meinen Bogen geeignet?“ Das hängt stark davon ab, was ihr für einen Bogen habt. Für einen allgemeinen Überblick haben wir euch aber auch allgemein gültige Charakteristika festgehalten, die auch ohne Herstellerhinweise nicht falsch wären.


Traditionelle Bögen

Dacron ist z.B. bei Holzbögen oder Langbögen das meistbenutzte Sehnenmaterial und in Momenten des Zweifels, definitiv nie die falsche Wahl. Sie ist stabil und beständig, aber dehnt sich auch bei jedem Schuss, beispielsweise mehr als eine FF-Sehne und ist deswegen insbesondere für traditionelle Bögen geeignet. Dacron ermöglicht nämlich, dass die i.d.R. einfache Konstruktion der traditionellen Bögen durch das abrupte Stoppen der Sehne nicht bricht. Dacron hat daher leider auch von allen Garnen die höchste Eigenmasse und Dehnung und ist deshalb mit Abstand das langsamste Sehnenmaterial.

Es gibt inzwischen aber auch leistungsfähigere Bögen im traditionellen Bereich. Hier wird vorwiegend auf modernes Verbundmaterial gesetzt und auch die Bauweise jenen aus dem Bereich des Olympischen Recurves angepasst. In so einem Fall könnte man ruhigen Gewissens auch auf FF, oder sogar auch auf 8125 umsteigen.

Wir haben die gängigsten Sehnen für traditionelle Bögen hier zusammengestellt:

Sehnen für traditionelle Bögen

Olympischer Recurve

Theoretisch könnte man im Bereich des olympischen Recurve jedes Sehnenmodell ausprobieren, ohne dabei Gefahr zu laufen den Bogen zu beschädigen. Praktisch machen einige Dinge jedoch wenig Sinn. Bei einem olympischen Recurve ist es eigentlich unnötig eine Dacron-Sehne heranzuziehen. Die Bögen sind i.d.R. modern und sehr viel leistungsfähiger, respektive belastbarer als beispielsweise viele traditionelle Bögen. Da z.B. FF-Garne schneller sind als Dacron, belasten sie den Bogen beim Schuss auch sehr viel stärker, auch wenn das Zuggewicht mit jedem Sehnenmaterial gleich bleibt. Wenn in den Bedienungshinweisen des Bogens z.B. eine FF-Tauglichkeit bestätigt wird, dann sollte man eigentlich auch immer FF nutzen, bzw. das leistungsfähigere Material heranziehen. Denn warum sollte man die Leistung des Bogens verschenken, die man doch eigentlich (so bitter) braucht?
Im europäischen Raum, hört man auch häufiger, dass sogar moderne Sehnengarne wie 8125 FF oft vorgezogen werden. Aber wir haben auch mitbekommen, dass in asiatischen Regionen, genauer noch bei den koreanischen Bogenschütz*innen beispielsweise FF bevorzugt wird, weil sie fehlerverzeihender seien als 8125.

Man merkt schon: eigene Erfahrungswerte und die individuelle Wahrnehmung spielen hier die entscheidende Rolle. Daher lohnt es sich vielleicht auch mal mit unterschiedlichen Materialien auf Wettkampfdistanzen zu schießen und Ergebnisse zu beobachten, genauso wie eigene Eindrücke dabei festzuhalten.

Wir weisen an dieser Stelle sicherheitshalber noch einmal auf die Uneignung von Vectran-haltige Sehnen beim olympischen Recurve hin. Park Kyung Rae, Vorsitzender von W&W meinte wohl ausdrücklich auf einem Seminar, dass man auf seinen Wurfarmen keine dehnungsarmen Vectran-Sehnen verwenden sollte. Dazu gehören z.B. BCY-X, 452 und 450. George Tekmitchov, Senior Recurve Engineer und International Staff Manager bei Hoyt, meinte wohl auch dasselbe über Hoyt-Wurfarme.

Hier bitte bei Zweifel auf jeden Fall beim Hersteller nachfragen.

Wir haben die gängigsten Sehnen für olmpische Recurve-Bögen hier zusammengestellt:

Sehnen für olympische Recurve-Bögen

Compound

Materialien mit hohem Anteil an Vectran (besonders 452X) sind nur für Compound angedacht (wird auch so vom Hersteller empfohlen), da sie keinen Creep haben. Man muss sich das einmal vorstellen: Compoundbögen bleiben mehrere Jahre lang non-stop gespannt, würde die Sehne da in irgendeiner Weise nachgeben und sich verformen, wäre das fatal. Aus diesem Grund werden keine FF, geschweige denn Dacron-Sehnen für einen Compound-Bogen benutzt. Um da auf Nummer sicherzugehen, geben manche Sehnenhersteller gerne auch das Adjektiv „no-creep“ an.

Fakt: Bei Compoundbögen gibt es neben der Sehne auch Kabel, die für den Hebelmechanismus der Bögen notwendig sind. Man kann diese als Set, aber auch einzeln erwerben.

Wir haben Sehnen und Kabel für Compound-Bögen hier zusammengestellt:

Sehnen & Kabel für Compoundbögen